Kündigungswelle wegen Corona – Was muss man wissen?

27. August 2020

Die Corona-Pandemie hat die Welt nach wie vor fest im Griff. Zunehmend zeigen sich nun auch die wirtschaftlichen Folgen. Sehr häufig verlieren die gesundheitlich angeschlagenen Mitarbeitenden als erste ihre Arbeitsstelle. Für sie ist es denn auch schwierig, eine neue Anstellung zu finden.

Was muss man wissen?

 

Kündigungsfristen

Wenn die Kündigungsfrist schriftlich im Arbeitsvertrag geregelt ist, gilt diese Frist. Das ist oft der Fall. Für Arbeitnehmende und für Arbeitgebende müssen die Fristen gleich lang sein.

Ist im Arbeitsvertrag nichts geregelt, gilt für eine Kündigung das OR mit folgenden Fristen:

  • In der Probezeit jederzeit innerhalb von 7 Tagen
  • Danach im 1. Jahr des Arbeitsverhältnisses mit einer Frist von einem Monat auf das Monatsende
  • Im 2. bis 9. Jahr des Arbeitsverhältnisses mit einer Frist von 2 Monaten auf das Ende eines Monats
  • Ab 10. Jahr des Arbeitsverhältnisses mit einer Frist von 3 Monaten auf das Ende eines Monats

Die Kündigung muss am letzten Tag der Frist bei der Gegenpartei angekommen sein.

Wo ist das geregelt

Art. 335 OR: Kündigung im Allgemeinen

Art. 335a -335c OR: gesetzliche Kündigungsfristen

Einzelarbeitsvertrag

Gesamtarbeitsvertrag

Normalarbeitsvertrag

 

Sperrfristen für Kündigung

Im schweizerischen Recht gilt ein «liberales» Kündigungsrecht. Eine Kündigung muss grundsätzlich nicht begründet werden und ist nur im Ausnahmefall missbräuchlich. Das Gesetz sieht aber gewisse Schutzfristen für Arbeitnehmende vor, die unverschuldet durch Krankheit oder Unfall ganz oder teilweise arbeitsunfähig geworden sind. Während folgender Fristen nach Ablauf der Probezeit ist eine Kündigung ungültig:

  • Im ersten Dienstjahr 30 Tage
  • Im 2. bis 5. Jahr des Arbeitsverhältnisses 90 Tage
  • Ab 6. Jahr des Arbeitsverhältnisses 180 Tage

Bei verschiedenen Unfällen oder Krankheiten beginnt die Kündigungssperrfrist für jede Arbeitsunfähigkeitsphase neu zu laufen. Bei einer erneuten Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Ursache im Sinne eines Rückfalls gilt das nicht.

Ungültige Kündigungen haben keine Wirkung und müssen nach Ablauf der Sperrfrist nochmals ausgesprochen werden.

Wird eine Person nach ausgesprochener Kündigung innerhalb der Kündigungsfrist arbeitsunfähig, bleibt die Kündigung gültig. Allerdings verlängert sich die Kündigungsfrist um die Dauer der Arbeitsunfähigkeit (maximal um die Dauer der Sperrfrist). Wenn der Arbeitnehmer gekündigt hat, verlängert sich die Kündigungsfrist nicht.

Allgemein verbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge (z.B. GAV für das Bauhauptgewerbe) sehen einen weitergehenden Kündigungsschutz für arbeitsunfähige Personen vor. Gemäss diesen Bestimmungen ist z.B. eine Kündigung generell verboten, solange eine Person ein Kranken- oder Unfalltaggeld erhält. Es muss daher immer geprüft werden, ob ein GAV zur Anwendung kommt.

Achtung: Die Sperrfristen für die Kündigung sind nicht identisch mit den Fristen für die Lohnfortzahlung. (Lohnfortzahlung im ersten Anstellungsjahr 3 Wochen, ab dem zweiten Anstellungsjahr «eine angemessene längere Zeit» ; von Kanton zu Kanton verschieden, z.B. Zürcher Skala, Berner Skala – meist besteht heute eine Krankentaggeldversicherung)

Wo ist das geregelt

Art. 336c OR

Art. 324a OR

 

Fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Eine fristlose Entlassung ist dann zulässig, wenn entweder der Arbeitgeberin oder dem Arbeitnehmer eine Weiterführung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist. Das ist im Falle von Krankheit und Unfall nie der Fall. Insbesondere auch dann nicht, wenn eine psychische Erkrankung zu einem Fehlverhalten des Arbeitnehmers geführt hat.

Gegen eine fristlose Entlassung muss unverzüglich und mit eingeschriebener Post protestiert werden.

Eine ungerechtfertigte fristlose Kündigung gibt dem Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung, er hat aber Anspruch auf Schadenersatz. Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ist eine fristlose Kündigung seitens des Arbeitnehmers z.B. dann zulässig, wenn der Arbeitgeber sich trotz Mahnung weigert, den fälligen Lohn zu bezahlen.

Wo ist das geregelt

Art. 337, 337b - 337c OR

 

Wer soll kündigen?

Verunfallte und erkrankte Arbeitnehmende sollen - wenn möglich - nicht von sich aus die Arbeitsstelle kündigen. Auch dann nicht, wenn der Arbeitgeber ihnen im Gegenzug ein besonders günstiges Arbeitszeugnis oder sonstige Vorteile in Aussicht stellt.

Bei einer Kündigung durch den Arbeitnehmer kann diesen unter Umständen folgende negative Konsequenzen treffen:

  • Einstelltage bei der Arbeitslosenversicherung (selbstverschuldete Arbeitslosigkeit)
  • Allenfalls notwendiger Übertritt von der kollektiven Krankentaggeldversicherung in die Einzelversicherung (deutlich höhere Prämienbelastung)
  • Mögliche Versicherungslücke bei der beruflichen Vorsorge (für die Risiken Tod und Invalidität)
  • Im Falle einer späteren Invalidität Unklarheit, ob Arbeitsstelle aus gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Gründen verloren wurde (unter Umständen Nachteil bei der Festlegung des Invaliditätsgrades)

Scheint bei Klientinnen und Klienten, die wegen Krankheit, Unfall oder als Opfer einer Straftat arbeitsunfähig wurden, eine Kündigung unvermeidlich, lohnt es sich, eine externe Fachperson beizuziehen. Oft können im gemeinsamen Gespräch unter Beizug des Arbeitgebers und allenfalls auch der IV taugliche und für den Arbeitnehmer optimale Lösungen gefunden werden.

 

Versicherungsfragen im Zusammenhang mit der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses

Krankentaggeld

Die meisten Arbeitgeber haben heute eine kollektive Krankentaggeldversicherung. Dieser Versicherungsschutz kann in der Regel ohne Gesundheitsprüfung in eine neue Arbeitsstelle übernommen werden. Bei Antritt einer neuen Arbeitsstelle wird aber eine vorbestehende Arbeitsunfähigkeit meistens noch von der «alten» Krankentaggeldversicherung gedeckt.

Besteht kein genügender Versicherungsschutz beim neuen Arbeitgeber oder tritt die versicherte Person keine neue Arbeitsstelle an, kann sie ein Gesuch um Übertritt von der bisherigen Kollektivversicherung in die Einzelversicherung stellen. Von Gesetzes wegen muss diese Möglichkeit allen Personen gewährt werden, die sich nach einem Stellenverlust bei der Arbeitslosenversicherung anmelden. Ein solches Übertrittsrecht wird aber in der Regel auch dann gewährt, wenn der Arbeitnehmer infolge Stellenverlust nicht mehr kollektivversichert ist (in den Reglementen oder AVB festgehalten).

Wenn die Arbeitsunfähigkeit bei Beendigung des Arbeitsvertrages immer noch andauert, muss sofort überprüft werden ob:

  • die bisherige Krankentaggeldversicherung das Taggeld noch weiterbezahlt und wenn ja, wie lange
  • ein Übertritt in die Einzelversicherung notwendig ist, damit das Taggeld weiterbezahlt wird.

Wo ist das geregelt

Versicherungsvertragsgesetzt (VVG) Art. 100 Abs. 2

Krankenversicherungsgesetz (KVG) Art. 71 Abs. 1 und 2; Art. 73

Allgemeine Vertragsbestimmungen (AVB) und Reglemente der jeweiligen Kollektiven Krankentaggeldversicherungen

 

Unfallversicherung

Der Versicherungsschutz für Unfälle endet spätestens 31 Tage nach der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Danach muss das Unfallrisiko über die obligatorische Krankenkasse abgedeckt werden. Der Unfallversicherungsschutz kann aber beim bisherigen Unfallversicherer bis zu sechs Monaten verlängert werden (Abredeversicherung). Für eine solche Verlängerung genügt es, die Prämie vor Ablauf von 30 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einzuzahlen. Der bisherige Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer über die Möglichkeit einer Abredeversicherung informieren und muss ihm den entsprechenden Einzahlungsschein abgeben. Wenn innerhalb der 30 Tage eine neue Arbeitsstelle angetreten wird, besteht aber diesem Zeitpunkt die Unfalldeckung über den neuen Arbeitgeber. Bezüger eines Arbeitslosentaggeldes sind bei der Suva unfallversichert.

Für einen Unfall, der sich während der Anstellungszeit beim alten Arbeitgeber ereignet hat, bleibt der Unfallversicherer dieses Arbeitgebers leistungspflichtig. Diese Leistungspflicht gilt lebenslänglich und auch für Rückfälle und Spätfolgen.

Wo ist das geregelt

Unfallversicherungsgesetz (UVG) Art. 3 Abs. 3

Unfallversicherungsverordnung (UVV) Art. 8 (Verlängerung des Unfallversicherungsschutzes)

 

Arbeitslosenversicherung

Auch gesundheitlich beeinträchtigte Arbeitnehmende können sich bei der Arbeitslosenversicherung zur Arbeitsvermittlung und zum Bezug von Taggeldern anmelden. Von den Ärzten muss dabei eine «Arbeitsfähigkeit von 20% in einer angepassten Tätigkeit» bestätigt werden. Üblicherweise wird das Taggeld auf den Grad der Vermittlungsfähigkeit reduziert. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Person gleichzeitig bei der IV angemeldet ist und über den Rentenanspruch nicht endgültig entschieden ist (Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung). Die betroffene Person muss sich unter diesen Umständen aber regelmässig mit Stellenbewerbungen um eine Arbeitsstelle bemühen. Um Einstelltage zu verhindern, muss die Suche bereits nach erfolgter Kündigung beginnen.

Wo ist das geregelt

Arbeitslosenversicherungsgesetzt (AVIG): Art. 15 Abs. 2

Arbeitslosenversicherungsverordnung (AVIV) Art. 15 Abs. 3 (Vermittlungsfähigkeit in der Arbeitslosenversicherung)

Art. 30 AVIG

Art. 45 AVIV (Einstellung der Anspruchsberechtigung wegen ungenügender Arbeitsbemühungen)

 

Bitte auch beachten

Pensionskasse

Dokumentation Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsvertrags und 30 Tage darüber hinaus, Transferierung Freizügigkeitskapital, freiwillige Versicherung etc.

Frühintervention der IV

Die IV kann noch vor der eigentlichen Anmeldung einbezogen werden und Hilfe leisten beim Erhalt des Arbeitsplatzes (z.B. bei der Anpassung des Arbeitsplatzes oder mit Umschulungsmassnahmen).

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