Unfallversicherer befahl zu Unrecht Knieversteifung
Das Bundesgericht bestätigte ein Urteil des Versicherungsgerichts St. Gallen, welches eine von den Helvetia Versicherungen geforderte Knieversteifungsoperation als unzumutbar eingestuft hatte. Beide Gerichte warfen dem Unfallversicherer vor, er habe seine Leistungen zu Unrecht eingestellt, denn die geforderte Behandlung sei nicht zumutbar gewesen. Die Auswirkungen des Eingriffes seien ungenügend abgeklärt worden, die psychischen Auswirkungen nicht gutachterlich abgeklärt worden.
Sachverhalt: Die 1972 geborene Versicherte A. war bei der damaligen National Versicherung, den heutigen Helvetia Versicherungen, obligatorisch gegen Unfall versichert. 2005 trat sie in einen Kabelschacht neben ihrem Pult und verletzte sich am Knie. Sie musste sich mehreren Knie-Operationen unterziehen, es kam zu einem massiven Infekt und weiteren Eingriffen sowie einem langen und ungünstigen Heilungsverlauf mit einer bleibenden 50%-igen Arbeitsunfähigkeit als Folge einer eingeschränkten Kniebeweglichkeit und eines massiven Schmerzsyndroms. In der Folge verlangten die Helvetia Versicherungen von A., unter Hinweis auf die Schadenminderungspflicht, dass sie eine Kniearthrodese, eine operative Versteifung des Kniegelenks, durchführen lasse. Damit sei zu erwarten, dass die Schmerzen zurückgingen und die Arbeitsfähigkeit gesteigert werden könne, ansonsten gehe die Versicherung von einer 100%-igen Arbeitsfähigkeit für sitzende Tätigkeiten aus und stelle die Leistung von Taggeldern und Heilbehandlungen ein. Am 26. Juli 2017 verfügte die Versicherung die Einstellung ihrer Leistungen, wies den Anspruch auf eine (Teil-)Invalidenrente ab und sprach eine Integritätsentschädigung von 40% zu. A. teilte der Versicherung daraufhin mit, dass sie keinen Arzt finden konnte, der sich bereit erklärte, an ihrem rechten Bein eine Kniearthrodese durchzuführen. Die Versicherung hielt jedoch weiterhin an ihrem Entscheid fest.
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen kritisierte, dass die Helvetia einzig gestützt auf ein orthopädisches Gutachten entschieden hatte, obwohl der Gutachter eine Depression vermutete und eine psychiatrische Abklärung empfahl. Der behandelnde Psychiater diagnostizierte eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und bezweifelte, dass die Schmerzen mit einer Knieversteifung beseitigt würden, vielmehr würde die Versteifung die vorhandene Depression verstärken und die Arbeitsunfähigkeit also kaum reduzieren. Die Richter sahen Hinweise auf selbständige psychische Erkrankungen, welche bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Operation nicht unberücksichtigt bleiben durften. Weitere Heilbehandlungen, wie die von der Versicherten vorgenommene Kniemobilisation unter Narkose, seien ausserdem zu übernehmen, auch wenn sie keine Steigerung der Arbeitsfähigkeit versprechen. Die Einstellung der Taggeldleistungen und Heilbehandlungen, ebenso wie die Abweisung des Rentenanspruches seien unrechtmässig und deshalb ersatzlos aufzuheben.
Die Helvetia gelangte erfolglos an das Bundesgericht. Die Richter wiesen die Behauptung der Helvetia als aktenwidrig zurück, es habe keine Hinweise auf eine psychische Problematik gegeben. Die St. Galler Richter hätten sich in einlässlicher und überzeugender Weise mit den vorhandenen psychiatrischen Berichten und den Hinweisen der somatischen Ärzte auf eine vorhandene psychische Komponente auseinandergesetzt und korrekt festgestellt, dass die Versteifung damals nicht zumutbar war. Zu Recht hätten sie darauf hingewiesen, dass die Versteifungsoperation nicht umkehrbar sei und nur als letzte Möglichkeit (ultima ratio) in Frage komme. Die Einstellung der Leistungen und die Ablehnung des Rentenanspruches sei daher bundesrechtswidrig.
Das Urteil finden Sie hier.